Liebe Leserinnen und Leser,

manchmal nimmt das Schicksal eigenartige Wendungen, die im Nachhinein fast schon literarisch anmuten. So geschehen auf meiner literarischen Pilgerreise zu den Wirkungsstätten Thomas Bernhards im Salzburger Land. Was als sorgfältig geplante Spurensuche begann, wurde durch eine Reifenpanne zu einer Lektion in Bernhard’scher Ironie des Schicksals.

Der Aufbruch

Der Morgen begann vielversprechend. Ich hatte mir einen detaillierten Plan zurechtgelegt, welche Orte ich besuchen wollte: das Café Tomaselli, wo Bernhard regelmäßig seinen Kaffee trank, sein ehemaliges Domizil in Ohlsdorf und natürlich den Vierkanthof in Obernathal. Mit Notizbuch und Kamera ausgestattet, machte ich mich auf den Weg.

Die erste Station: Salzburg

Die Mozartstadt empfing mich mit einem typisch salzburgerischen Nieselregen. Während ich durch die Getreidegasse schlenderte, musste ich an Bernhards bissige Bemerkungen über seine Heimatstadt denken. In „Die Ursache“ schreibt er: „Salzburg ist eine perfide Fassade, auf welche die Welt ununterbrochen ihre Verlogenheit malt und hinter der das (oder der) Schöpferische verkümmern und verkommen und absterben muß.“ Der Regen verstärkte diese düstere Atmosphäre noch.

Im Café Tomaselli fand ich tatsächlich noch den gleichen Geist vor, den auch Bernhard gekannt haben muss. Die gediegene Atmosphäre, die präzise arbeitenden Kellner, das leichte Rascheln der Zeitungen – all das schien die Zeit überdauert zu haben.

Die ungeplante Wendung

Auf dem Weg nach Ohlsdorf, kurz hinter Hof bei Salzburg, kündigte sich das Unheil durch ein verdächtiges Rumpeln an. Als geübte Autofahrerin wusste ich sofort: Ein platter Reifen. Zum Glück fand ich hier schnelle und kompetente Hilfe. Während ich auf die Reparatur wartete, musste ich unwillkürlich lachen – hätte Bernhard diese Situation beschrieben, wäre sie sicher zu einer grotesk-komischen Abhandlung über die Tücken der Mobilität und die Unzulänglichkeit menschlicher Planung geworden.

Unerwartete Erkenntnisse

Die erzwungene Pause erwies sich als unerwarteter Segen. Im Gespräch mit den hilfsbereiten Menschen vor Ort erfuhr ich Anekdoten über Bernhard, die in keinem Reiseführer stehen. Ein älterer Herr erinnerte sich noch daran, wie der Schriftsteller regelmäßig mit seinem Fahrrad durch die Gegend fuhr – eine überraschend alltägliche Vorstellung des sonst so kompromisslosen Dichters.

Der Vierkanthof

Als ich schließlich den Vierkanthof erreichte, war der Tag schon fortgeschritten. Das Licht der späten Nachmittagssonne tauchte den Hof in ein warmes Gold, das in faszinierendem Kontrast zu Bernhards oft düsteren Texten stand. Hier, wo er einen großen Teil seines Lebens verbrachte und viele seiner Werke schrieb, spürte ich eine tiefe Ruhe, die ich nicht erwartet hatte.

Die Rückkehr

Auf der Rückfahrt dachte ich über die Ereignisse des Tages nach. War es nicht geradezu bernhardisch, dass eine simple Reifenpanne meine durchgeplante literarische Pilgerreise durcheinandergebracht hatte? Hätte der große Misanthrop nicht seine helle Freude an dieser kleinen Demonstration der Unberechenbarkeit des Lebens gehabt?

Reflexionen

Diese Reise lehrte mich mehr über Bernhard als jede störungsfreie Tour es gekonnt hätte. In der ungeplanten Pause, in den zufälligen Begegnungen und Gesprächen zeigte sich das wahre Salzburger Land – nicht als Postkartenmotiv, sondern als lebendiger Ort mit Menschen, die ihre eigenen Geschichten und Erinnerungen haben.

Der Tag endete, wie er begonnen hatte: mit Regen. Doch jetzt erschien er mir nicht mehr düster, sondern wie ein passendes Finale für eine Reise auf den Spuren eines Autors, der die Widersprüche des Lebens so meisterhaft in Worte zu fassen wusste.

Was sind Ihre Erfahrungen mit literarischen Reisen? Haben auch Sie schon einmal erlebt, wie ungeplante Ereignisse zu den wertvollsten Momenten wurden? Ich freue mich auf Ihre Geschichten in den Kommentaren!

Ihre Elisabeth Mayer

P.S.: Für alle, die eine ähnliche Reise planen: Packen Sie neben den Werken Bernhards vielleicht auch ein Ersatzrad ein – man weiß ja nie…

Von artimage